Wie Nolte
Neulich traf ich einen Herrn, der mich aus großen Augen sah,
seine Nase rümpfte und den Blick verzog.
Dann beim zweiten Hinseh’n wurde mir sehr schnell gewahr,
daß es mein spiess’ger Nachbar war, der seine Frau betrog.
Als er mich erkannte wurde seine Miene hell,
und er grüßte freundlich schleimend „Guten Tag“.
Und dann ging er um die Straßenecke, furchtbar schnell,
und ich weiß, daß er mich überhaupt nicht mag.
Dafür quatscht er gern und viel, um Inhalt geht’s da nicht.
Hauptsache ist, daß es um die Andren geht.
Von mir sagt er beispielsweise: Ich wär nur ein Wicht,
der nicht einmal eine Fremdsprache versteht.
Ich sei ein Nicht-Zähneputzer und ein störrischer Idiot,
ein Tapetenkleister-Trinker und ein Blödmann,
ein im-Wald-ein-Häufchen-Macher und ich sähe manchmal Rot,
und ich hätte sie nicht alle mehr beisamm’n.
Ja nun, ich halte es da wie der alte Nolte,
das war ein Mann, der seine eige’nen Schritte lenkt,
der Nolte machte nämlich nur so wie er wollte.
Und mir ist schnurz was da ein andrer von mir denkt.
Der Nolte machte nämlich nur so wie er wollte.
Und mir ist schnurz was da ein andrer von mir denkt.
Und im Erdgeschoss in unserem alten, roten Backsteinhaus
wohnt Frau Niederträchtig mit dem kleinen Hündchen.
Mit den Lockenwicklern in den Haaren sieht sie sehr schräg aus,
und nur ihr Hund dient ihr noch für ein Schäferstündchen.
Diese Dame weiß im Leben andrer wirklich gut Bescheid,
und sie dient so gern‘ als eine Info-Quelle.
Über jeden führt sie Buch, und sie weiß alles weit und breit,
hat für jeden den passenden Tratsch zur Stelle.
Sie liegt stundenlang im Fenster und glotzt auf die Straße raus,
damit ihr im Leben wirklich nichts entgeht.
Hält der Postmann auf der Straße stürmt sie ganz schnell raus,
sackt die ganze Post fürs Haus ein, ihr versteht?
Sie schaut erstmal was für wen kam und wer wo sich etwas kauft,
oder kommt ein Brief vom Amt oder Gericht.
Dann erzählt sie jedem, wer hat was „auf Pump“ gekauft,
und ich, ich zahl` die Rechnung einfach nicht.
Ja nun, ich halte es da wie der alte Nolte.
das war ein Mann, der seine eige’nen Schritte lenkt,
der Nolte machte nämlich nur so wie er wollte,
Und mir ist schnurz was da ein andrer von mir denkt.
Der Nolte machte nämlich nur so wie er wollte.
Und mir ist schnurz was da ein andrer von mir denkt
Da ist Herr Direktor Kläglich, der die Frau und Kinder schlägt,
der des Nachts in fremde Fensterscheiben giert,
der im Stadtwald bei den Kindern auch mal keine Hose trägt,
und sich auf dem eig‘nen Block dafür die Parksünder notiert.
Vor dem Herrn Direktor hab fein Acht, sei auf der Hut,
Herr Direktor ist eine linke Bazille.
Der lebt von Versicherungs- und auch dem Steuerbetrug,
und ist Stammgast in der Rotlicht-Destille.
Auch der Herr Direktor meint er kenne mich genau,
und er könne über mich gern Auskunft geben.
Und so sagt er and’ren, ich schlag öfter meine Frau,
und die Kinder würden ängstlich vor mir beben.
Ich würd Parksünder anzeigen, oder wenigstens notier’n,
und den Schnaps tränke ich aus 2-Liter-Flaschen.
Und ich kröche in den Stadtwald öfter mal auf allen Vier’n,
und Cannabis würd ich auch ganz gerne naschen.
Ja nun, ich halte es da wie der alte Nolte,
das war ein Mann, der seine eige’nen Schritte lenkt,
der Nolte machte nämlich nur so wie er wollte.
Und mir ist schnurz was da ein andrer von mir denkt.
Der Nolte machte nämlich nur so wie er wollte.
Und mir ist schnurz was da ein andrer von mir denkt.
© Rüdiger Kirsch